Haus St. Antonius
Grein a.d. Donau / Österreich


(Artikel aus der Quartalschrift "Wegbegleiter" 2018 / 4)

Mag. Elisabeth Svoboda
                                                                         

Abtreibung


Abtreibung ist ein vieldiskutiertes Thema. Es gibt Befürworter und Gegner.

Gegen die Abtreibung hört man verschiedene Gründe und Argumente: zum Beispiel daß eine Abtreibung für das ungeborene Kind schlimm ist - daß es dabei Schmerz empfindet; es wird vom "Post-Abortion-Syndrom" (PAS) gesprochen, bei dem bei Frauen nach einer Abtreibung oft seelisch-körperliche Störungen auftreten. Und man sieht Bilder von frohen Babys und Kindern, froh und glücklich, daß sie leben dürfen.

Nun könnte man sagen: Was ist aber, wenn solche Dinge nicht stattfinden, wenn niemand unter der Abtreibung zu leiden hat - wenn die Abtreibung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem beim Kind das Bewußtsein und das Schmerzempfinden noch nicht ausgebildet ist? Wenn bei vielen Frauen das PAS vielleicht nicht auftritt? Und es gibt vielleicht auch Menschen, die gerade darunter leiden, daß sie mit einer schweren körperlichen Beeinträchtigung geboren wurden, und gar nicht froh sind, daß sie leben.

Wenn also durch Abtreibung niemand leidet, ist sie dann noch etwas Schlimmes? Warum sollte das Kind unbedingt leben müssen? Wenn das Kind gar nicht gezeugt worden wäre, wäre es ja auch nicht da.

Bei den Fragen rund um die Abtreibung ist die grundsätzliche Frage wichtig, was ein Mensch ist, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

Ein Mensch entsteht mit der Empfängnis *, mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle. Ab diesem Zeitpunkt ist ein neuer Mensch da. Für diesen neu entstandenen Menschen ab dem frühesten Stadium gilt alles, was für jeden Menschen gilt; er ist mit allen Eigenschaften ausgestattet, die einen Menschen ausmachen.

Als Christen sagen wir: Jeder Mensch ist von Gott geliebt; jeder Mensch ist wichtig; Gott hat einen Plan für jeden Menschen; jeder Mensch hat eine Berufung, einen Auftrag, seinen Platz in der Welt, den nur er in seiner je eigenen Individualität ausfüllen kann. Jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele; das irdische Leben ist von großer Bedeutung als Bewährung und Vorbereitung auf das ewige Leben nach dem irdischen Tod bei Gott.

All das gilt für jeden Menschen ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung - ob gesund oder nicht und auch unabhängig davon, unter welchen Umständen er auch entstanden sein mag.

Sobald also ein Mensch einmal entstanden ist, existiert und bleibt er für immer. Man kann verhindern, daß er geboren wurd und auf der Erde sichbar lebt; aber man kann seine Existenz nicht mehr rückgängig machen. Auch bei einer Abtreibung im frühesten Stadium lebt er - so wie alle Verstorbenen - im Jenseits weiter.

Jeder entstandene Mensch hat seine Berufung, seinen Auftrag für die Welt. Jeder ist wie ein Mosaikstein, ein Baustein im Gesamtgefüge der Menschheit. Er ist in den Plan Gottes für die Welt eingebaut. Bei einer Abtreibung entsteht dort eine Lücke, ein Mangel, fehlt er dort, wo in der Welt sein Platz, seine Aufgabe gewesen wäre. So hat jede Abtreibung, auch wenn kaum jemand von ihr weiß, eine Auswirkung auf die Welt, auf die Menschheit.

Auch wird diesem Menschen die Möglichkeit zu seiner eigenen Bewährung und Vorbereitung auf das ewige Leben genommen. Es wird ihm die Möglichkeit genommen, mit seinen Talenten zu wirtschaften (vgl. Mt 25,14-30), Schätze im Himmel zu sammeln (vgl. Mt 6,19-20).

Nun könnte man einwenden: Was ist mit den zahlreichen Fehlgeburten, die es ohne menschliches Zutun gibt? Da gibt es ja ohnedies so viele Menschen, die entstanden sind, dann aber auf der Erde nicht leben, ihr Leben nicht leben können. Ist da so viel Unterschied zu einer Abtreibung?

Hier besteht ein fundamentaler Unterschied. Denn in diesem Falle reicht der Plan Gottes für diesen Menschen dann eben nur für diese kurze Zeitspanne und nicht weiter, und es entsteht dabei in der Welt keine Lücke.

Man könnte auch fragen, welchen Auftrag denn Menschen haben können, die durch eine große körperliche oder geistige Beeinträchtigung nahezu nichts von sich aus tun und wirken können? Nun, vielleicht können sie beten und dadurch Großes bewirken, wie es viele Beispiele von Heiligen gibt. Wenn sie das nicht können, so haben solche Menschen dann eben einen passiven Auftrag; sie wirken nicht durch ihr Tun, sondern durch ihr Sein; indem sie als solche, die sie sind, an ihrem jeweiligen Platz, an dem sie leben, auf ihre Umgebung wirken.

So könnte schließlich noch die Überlegung angestellt werden: Das abgetriebene Kind kann nichts dafür, daß es sein Leben nicht leben kann. Kann es dann in der Ewigkeit einen Nachteil haben? In welcher Weise Gott in dieser Sache verfährt, entzieht sich unserer Kenntnis. Daß die Abtreibung insgesamt negative Auswirkungen hat, darauf läßt zum Beispiel diese Aussage des Hl. Pater Pio schließen:

"Ein Tag ohne Abtreibung würde genügen, und Gott würde der Welt Frieden schenken bis ans Ende der Tage." (www.katholisches.info/2016/10/12).

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* Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2270: "Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen. Schon im ersten Augenblick seines Daseins ist dem menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen ..."


Einige weitere Zitate aus kirchlichen Quellen:

"Da der Embryo schon von der Empfängnis an wie eine Person behandelt werden muß, ist er wie jedes andere menschliche Wesen im Rahmen des Möglichen unversehrt zu erhalten, zu pflegen und zu heilen." (Katechismus der katholischen Kirche Nr. 2274).

"Der Mensch ist schon von seiner Empfängnis an auf Gott hingeordnet und zur ewigen Seligkeit bestimmt, weil er mit einer geistigen Seele, mit Vernunft und Willen begabt ist. Er erstrebt seine Vollenedung in der 'Suche und Liebe des Wahren und Guten' (GS 15,2)." (Katechismus Nr. 1711) (GS = Gaudium et spes, Zweites Vatikanisches Konzil)

"Jedes menschliche Leben ist vom Moment der Empfängnis an bis zum Tod heilig, denn die menschliche Person ist um ihrer selbst willen gewollt und nach dem Bild des lebendigen und heiligen Gottes, ihm ähnlich geschaffen." (Katechismus Nr. 2319).

"Mögen alle daran denken: Das menschliche Leben und die Aufgabe, es weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit und können deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden, sondern haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung des Menschen." (Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes 51,4).

"Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation. (...) Die Kirche will dadurch die Barmherzigkeit nicht einengen; sie zeigt aber mit Nachdruck die Schwere des begangenen Verbrechens und den nicht wieder gutzumachenden Schaden auf, der dem unschuldig getöteten Kind, seinen Eltern und der ganzen Gesellschaft angetan wird." (Katechismus Nr. 2272).

"Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen." (Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes 51,3).

"Die sittliche Schwere der vorsätzlichen Abtreibung wird in ihrer ganzen Wahrheit deutlich, wenn man erkennt, daß es sich um einen Mord handelt ..." (Enzyklika "Evangelium vitae" Nr. 58).

"Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu." (Kirchenrecht, CIC Can. 1398).





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